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Guillain-Barré-Syndrom

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der das Immunsystem die Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark angreift. Dadurch wird die Reizleitung zwischen Nerv und Muskel gestört, was zu Muskelschwäche, Lähmungen und Empfindungsstörungen führen kann. Die Erkrankung tritt meist plötzlich auf und kann sich innerhalb weniger Tage entwickeln.

Epidemiologie

Das Guillain-Barré-Syndrom ist selten, betrifft aber etwa 1 bis 2 von 100.000 Menschen pro Jahr. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten, tritt jedoch am häufigsten zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf. Viele Betroffene erholen sich vollständig, allerdings kann die Genesung Wochen bis Monate dauern.

Formen der Erkrankung

Es existieren mehrere Unterformen des Guillain-Barré-Syndroms, die sich in Schweregrad und Verlauf unterscheiden:

  • AIDP (akute inflammatorisch-demyelinisierende Polyneuropathie): häufigste Form in Europa; betrifft vor allem die Myelinschicht der Nerven.

  • AMAN (akute motorische axonale Neuropathie): betrifft die motorischen Nervenfasern; häufiger in Asien und Südamerika.

  • AMSAN (akute motorisch-sensorische axonale Neuropathie): betrifft motorische und sensorische Nerven; meist schwerer Verlauf.

  • Miller-Fisher-Syndrom: seltene Variante mit Augenmuskellähmung, Koordinationsstörung und fehlenden Reflexen.

Symptome

Das GBS beginnt meist mit Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Füßen und Beinen, das sich nach oben ausbreitet. Typische Symptome sind:

  • Muskelschwäche, beginnend in den Beinen, später auch in Armen und Gesicht

  • Verlust von Reflexen

  • Schmerzen in Muskeln und Gliedern

  • Empfindungsstörungen (Kribbeln, Taubheit)

  • Schwierigkeiten beim Schlucken oder Atmen (bei schweren Verläufen)

Die Symptome entwickeln sich innerhalb von Stunden bis Tagen. Der Verlauf erreicht oft nach etwa zwei Wochen seinen Höhepunkt.

Ursachen und Risikofaktoren

Das Guillain-Barré-Syndrom wird meist durch eine Fehlreaktion des Immunsystems ausgelöst, oft nach einer Infektion. Häufige Auslöser sind:

  • Virusinfektionen: z. B. Influenza, Epstein-Barr-Virus, Cytomegalievirus, Zika-Virus

  • Bakterielle Infektionen: besonders Campylobacter jejuni (häufig bei Magen-Darm-Infekten)

  • Selten: nach Impfungen oder Operationen

Risikofaktoren sind unter anderem:

  • Vorangegangene Infektionen des Magen-Darm- oder Atemtrakts

  • Autoimmunerkrankungen

  • Genetische Veranlagung (in seltenen Fällen)

Früherkennung

Frühe Anzeichen sind oft unspezifisch, können aber lebenswichtig sein. Warnzeichen sind:

  • Rasch zunehmende Schwäche in Beinen oder Armen

  • Schwierigkeiten beim Gehen oder Treppensteigen

  • Kribbeln in Händen und Füßen

  • Plötzliche Atemnot oder Schluckbeschwerden

Bei solchen Symptomen sollte sofort ärztliche Hilfe aufgesucht werden, da die Krankheit in kurzer Zeit lebensbedrohlich werden kann, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist.

Diagnostik (für Laien erklärt)

Die Diagnose erfolgt durch eine Neurologin oder einen Neurologen und umfasst:

  • Körperliche Untersuchung: Überprüfung von Muskelkraft, Reflexen und Empfindung.

  • Lumbalpunktion: Untersuchung der Nervenflüssigkeit (Liquor) auf erhöhte Eiweißwerte.

  • Elektroneurographie (ENG) und Elektromyographie (EMG): messen die Nervenleitgeschwindigkeit und Muskelaktivität.

  • Bluttests zur Abklärung möglicher Infektionen.

Diese Untersuchungen helfen, GBS von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen zu unterscheiden.

Prävention

Da GBS meist nach Infektionen auftritt, ist Vorbeugung nur eingeschränkt möglich. Folgende Maßnahmen können das Risiko senken:

  • Gute Hygiene (z. B. regelmäßiges Händewaschen)

  • Vorsicht bei Lebensmitteln (Vermeidung von rohem Geflügel, um Campylobacter-Infektionen zu verhindern)

  • Schutzimpfungen gegen häufige Virusinfektionen (z. B. Grippe) können indirekt helfen, indem sie Infekte vermeiden.

Therapie

Das Guillain-Barré-Syndrom ist ein medizinischer Notfall, der eine rasche Behandlung erfordert. Ziel ist es, das Immunsystem zu stabilisieren und Komplikationen zu verhindern:

  • Immunglobulin-Therapie (IVIG): Antikörper werden über die Vene verabreicht, um die fehlgeleitete Immunreaktion zu stoppen.

  • Plasmapherese (Blutwäsche): Entfernung schädlicher Antikörper aus dem Blut.

  • Intensivmedizinische Betreuung: bei Atem- oder Schluckstörungen, ggf. mit künstlicher Beatmung.

  • Schmerztherapie: zur Linderung von Nervenschmerzen.

Rehabilitation

Die Rehabilitation ist ein entscheidender Teil der Genesung und kann Wochen bis Monate dauern. Sie umfasst:

  • Physiotherapie: zur Wiederherstellung von Kraft und Beweglichkeit.

  • Ergotherapie: Unterstützung bei Alltagsaktivitäten.

  • Logopädie: bei Sprech- oder Schluckstörungen.

  • Psychologische Betreuung: zur Bewältigung der Krankheit und möglichen Ängste.

Das Guillain-Barré-Syndrom ist zwar eine ernste, aber in vielen Fällen heilbare Erkrankung. Mit schneller Diagnose, intensiver Behandlung und gezielter Rehabilitation können die meisten Betroffenen wieder vollständig genesen.

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