Amyotrophe Lateralsklerose
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine seltene, aber schwer verlaufende neurodegenerative Erkrankung, bei der die Nervenzellen, die die Muskeln steuern (sogenannte Motoneuronen), nach und nach absterben. Dadurch werden die Muskeln zunehmend schwächer, bis sie ihre Funktion ganz verlieren. Die geistigen Fähigkeiten bleiben dabei in der Regel erhalten.
Epidemiologie
In Deutschland sind schätzungsweise 8.000 bis 9.000 Menschen an ALS erkrankt. Pro Jahr erkranken etwa 2 von 100.000 Menschen neu. Meist tritt die Krankheit zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Lebenserwartung nach Diagnosestellung beträgt im Durchschnitt 3 bis 5 Jahre, kann aber individuell stark variieren.
Formen der Erkrankung
Es gibt verschiedene Formen der ALS, die sich nach dem Ort des Beginns unterscheiden:
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Spinale Form: beginnt mit Muskelschwäche in Armen oder Beinen.
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Bulbäre Form: betrifft zuerst die Muskulatur von Gesicht, Mund und Rachen, was zu Sprech- und Schluckstörungen führt.
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Primär lateralsklerotische Form (PLS): seltene Variante, bei der vor allem die oberen Motoneuronen betroffen sind; verläuft meist langsamer.
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Progressive Muskelatrophie (PMA): betrifft überwiegend die unteren Motoneuronen und verursacht Muskelschwund.
Symptome
Die Symptome beginnen meist schleichend und verstärken sich im Verlauf. Typische Anzeichen sind:
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Muskelschwäche und -abbau (besonders an Händen, Armen oder Beinen)
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Muskelzuckungen (Faszikulationen)
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Muskelkrämpfe
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Sprachstörungen (verwaschene Sprache)
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Schluckbeschwerden
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Atemprobleme im fortgeschrittenen Stadium
Trotz der körperlichen Einschränkungen bleiben Denken, Wahrnehmung und Bewusstsein in der Regel unbeeinträchtigt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der ALS sind noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
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Genetische Faktoren: etwa 5–10 % der Fälle sind familiär bedingt (familiäre ALS).
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Fehlfaltung von Proteinen: bestimmte Eiweiße lagern sich in Nervenzellen ab und führen zu deren Untergang.
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Umweltfaktoren: mögliche Einflüsse durch Schwermetalle, Pestizide oder körperliche Belastung werden diskutiert.
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Alterungsprozesse und oxidativer Stress können die Nervenzellen zusätzlich schädigen.
Früherkennung
Eine Früherkennung ist schwierig, da die Symptome anfangs unspezifisch sind. Erste Warnzeichen können sein:
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Ungewöhnliche Muskelschwäche oder häufiges Stolpern
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Schwierigkeiten beim Greifen oder Halten von Gegenständen
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Muskelzuckungen ohne erkennbare Ursache
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Veränderungen in Sprache oder Schlucken
Bei solchen Symptomen sollte frühzeitig eine neurologische Untersuchung erfolgen.
Diagnostik (für Laien erklärt)
Die Diagnose erfolgt durch spezialisierte Neurologinnen und Neurologen. Sie umfasst:
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Neurologische Untersuchung: Beurteilung von Muskelkraft, Reflexen und Koordination.
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Elektromyographie (EMG): misst die elektrische Aktivität der Muskeln und zeigt den Untergang von Nervenzellen.
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Elektroneurographie (ENG): überprüft die Nervenleitgeschwindigkeit.
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MRT: dient zum Ausschluss anderer Ursachen (z. B. Bandscheibenvorfälle, Tumoren).
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Bluttests und ggf. genetische Untersuchungen bei Verdacht auf familiäre Formen.
Prävention
Da die Ursachen noch nicht eindeutig bekannt sind, gibt es keine sichere Möglichkeit, ALS zu verhindern. Allgemeine Empfehlungen für die Nervengesundheit sind jedoch:
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Gesunde Ernährung mit antioxidativen Lebensmitteln
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Regelmäßige Bewegung in angemessenem Maß
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Vermeidung von Giftstoffen (z. B. Rauchen, bestimmte Chemikalien)
Therapie
Eine Heilung ist bisher nicht möglich, aber es gibt Behandlungen, die das Fortschreiten verlangsamen und die Lebensqualität verbessern können:
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Medikamente:
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Riluzol: kann das Fortschreiten leicht verlangsamen.
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Edaravon: wirkt antioxidativ und schützt Nervenzellen (in manchen Ländern zugelassen).
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Symptomatische Therapie: Behandlung von Muskelkrämpfen, Speichelfluss, Atemnot oder Depressionen.
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Physiotherapie: erhält Beweglichkeit und beugt Gelenkversteifungen vor.
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Ergotherapie: unterstützt die Selbstständigkeit im Alltag.
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Logopädie: hilft bei Sprech- und Schluckstörungen.
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Atemtherapie: zur Unterstützung der Atmung in späteren Stadien.
Rehabilitation
Die Rehabilitation zielt darauf ab, Lebensqualität und Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Sie umfasst:
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Physio-, Ergo- und Logopädie zur Erhaltung von Beweglichkeit, Kommunikation und Alltagskompetenz
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Hilfsmittelversorgung (z. B. Rollstuhl, Kommunikationshilfen, Beatmungssysteme)
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Psychologische Unterstützung für Betroffene und Angehörige
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Palliative Begleitung zur Linderung von Beschwerden im fortgeschrittenen Stadium
Amyotrophe Lateralsklerose ist eine schwere, aber gut erforschte Erkrankung. Durch moderne Therapieansätze, interdisziplinäre Betreuung und frühzeitige Unterstützung können Betroffene länger aktiv und selbstbestimmt leben.
